Die sichere Kommunikation im Gesundheitswesen ist zu einer strategischen Grundvoraussetzung für moderne Versorgungssysteme geworden. Mit der zunehmenden Digitalisierung steigen nicht nur die Anforderungen an Datenschutz und Effizienz, sondern auch an Interoperabilität und Skalierbarkeit. Im Zentrum dieser Entwicklung steht der sogenannte „Health Messenger“ – ein Tool, das den Austausch zwischen medizinischen Fachpersonen, Institutionen und künftig auch Patient:innen erleichtern soll.
Während Deutschland mit dem TI-Messenger und dem offenen Matrix-Protokoll bereits konkrete technologische und regulatorische Standards etabliert hat, befindet sich die Schweiz in einer strategischen Planungsphase. Im Rahmen der Architekturstudie zur Swiss Health Data Space Serviceinfrastruktur (SwissHDS-SI), die von Deloitte im Auftrag des Programms DigiSanté erstellt wurde, werden derzeit mögliche Komponenten einer interoperablen digitalen Infrastruktur evaluiert – darunter auch kommunikative Services wie ein potenzieller Health Messenger.
Unomed verfolgt die Entwicklungen in beiden Ländern aufmerksam – nicht nur, um von erprobten Modellen zu lernen, sondern auch, um mitgestaltend einen interoperablen Messenger auf Schweizer Boden aufzubauen.
Ein Health Messenger ist weit mehr als ein sicherer Chatdienst: Es handelt sich um eine spezialisierte Kommunikationsplattform, die auf die Anforderungen des Gesundheitswesens zugeschnitten ist. Das umfasst sowohl funktionale Aspekte – wie die Integration in Primärsysteme (Praxissoftware, Spitalinformationssysteme, Apothekenlösungen) – als auch regulatorische Anforderungen, etwa zur Nachvollziehbarkeit, Datenhaltung und Zugriffskontrolle.
Kernmerkmale eines Health Messengers sind:
Im Gegensatz zu marktgängigen Tools wie WhatsApp oder Signal ist ein Health Messenger also kein „Nice-to-have“, sondern eine notwendige Antwort auf regulatorische und praktische Anforderungen in der medizinischen Kommunikation.
Deutschland hat sich mit dem TI-Messenger für einen technologisch fortschrittlichen Weg entschieden: Die zugrunde liegende Architektur basiert auf dem Matrix-Protokoll – einem offenen Standard für dezentrale, sichere Echtzeitkommunikation.
Matrix bietet einige entscheidende Vorteile:
Die Wahl von Matrix als Grundlage für den TI-Messenger bedeutet, dass verschiedene Anbieter kompatible Lösungen entwickeln können – ohne sich in proprietären Plattformen zu verlieren. In ersten Pilotprojekten – unter anderem in Hamburg – zeigt sich, wie Matrix-basierte Kommunikation in Gruppen (z. B. Hausarzt, Pflege, Apotheke) konkrete Versorgungsvorteile bringt.
Auch für die Schweiz ist dieser Ansatz höchst relevant: Denn die Architekturstudie zur SwissHDS-SI bezieht sich ausdrücklich auf föderierte, modulare Lösungen – ein Prinzip, das mit Matrix perfekt harmoniert.
In Deutschland ist der TI-Messenger ein zentrales Projekt innerhalb der nationalen Telematikinfrastruktur (TI). Die gematik – als nationale Agentur für digitale Medizin – entwickelt und koordiniert den Messenger im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums. Technologische Grundlage ist das offene Matrix-Protokoll, wodurch verschiedene Anbieter kompatible Messenger-Apps entwickeln können.
Der TI-Messenger ermöglicht:
Im Jahr 2024 starteten erste Pilotprojekte in mehreren Modellregionen wie Hamburg und Franken. Dort wird der TI-Messenger im Versorgungsalltag getestet – beispielsweise in der Abstimmung zwischen Hausärzt:innen, Pflegediensten und Apotheken bei der Betreuung chronisch erkrankter Menschen.
Durch diese frühzeitige Erprobung sollen nicht nur technische Aspekte validiert werden, sondern auch die Nutzbarkeit im klinischen Alltag – ein zentraler Erfolgsfaktor.
Der TI-Messenger verfolgt in Deutschland mehrere strategisch angelegte Ziele:
Dieser ganzheitliche Ansatz – technische Offenheit kombiniert mit klarer regulatorischer Steuerung – macht den TI-Messenger in Europa zu einem der fortschrittlichsten Digitalprojekte im Gesundheitsbereich.
Im Gegensatz zu Deutschland befindet sich die Schweiz aktuell noch in einer konzeptionellen Phase. Die Architekturstudie zur Swiss Health Data Space Serviceinfrastruktur (SwissHDS-SI), die im Jahr 2024 im Rahmen des Programms DigiSanté veröffentlicht wurde, beschreibt eine Vision für eine modulare, interoperable Serviceinfrastruktur – allerdings ohne bereits umgesetzte technische Komponenten.
Ein Health Messenger wird in der Studie nicht als bereits existierendes Projekt definiert, sondern als potenzielles Service-Modul innerhalb eines föderierten Ökosystems. Ziel ist es, Kommunikationsdienste zu ermöglichen, die:
Die SwissHDS-Architektur verfolgt das „Minimal Viable & Lovable“-Prinzip – das heisst, erste konkrete Anwendungsfälle (wie eMedikation oder eRezept) sollen in enger Zusammenarbeit mit Nutzergruppen entwickelt und erprobt werden. Kommunikationsdienste wie ein Health Messenger gelten dabei als ergänzende Infrastruktur, deren Bedarf klar erkannt wurde – auch wenn die Umsetzung noch nicht beauftragt ist.
Für Akteure wie Unomed ergibt sich daraus eine wertvolle Chance: Wer heute bereits Lösungen entlang dieser Architekturvorgaben entwickelt, kann später eine zentrale Rolle in der Umsetzung spielen.
Bei Unomed sehen wir den Health Messenger nicht nur als technische Lösung, sondern als strategische Antwort auf eine zentrale Herausforderung im Gesundheitswesen: sichere, koordinierte und benutzerfreundliche Kommunikation über Systemgrenzen hinweg. Gerade in einem föderal organisierten und vielfältigen Versorgungssystem wie der Schweiz braucht es eine Kommunikationsplattform, die offen, interoperabel und gleichzeitig hochgradig vertrauenswürdig ist.
Deshalb orientieren wir uns bewusst an den Architekturprinzipien, die sowohl in der SwissHDS-Studie als auch im deutschen TI-Messenger Anwendung finden: offene Standards, modulare Erweiterbarkeit, Integration in bestehende Systeme und höchste Datenschutzanforderungen.
Unser Ziel ist es, schon heute eine Lösung zu entwickeln, die mit zukünftigen Anforderungen – wie denen der SwissHDS-Serviceinfrastruktur – kompatibel ist. So schaffen wir die Voraussetzungen für echte Anschlussfähigkeit: gegenüber Bundesinitiativen, kantonalen Partnern, Leistungserbringern – und letztlich gegenüber den Patient:innen selbst.
Auch wenn Deutschland und die Schweiz sich in ihrer gesundheitspolitischen Struktur stark unterscheiden, ähneln sich viele der Herausforderungen und Zielsetzungen im Bereich digitaler Kommunikation.
Beide Länder haben mit einer heterogenen IT-Landschaft zu kämpfen, in der unterschiedliche Systeme, Softwareanbieter und Datenschutzbestimmungen eine koordinierte Kommunikation erschweren. In beiden Fällen wird zudem der Wunsch nach mehr Interoperabilität, weniger Medienbrüchen und einer stärkeren Patientenorientierung laut.
Die Architekturprinzipien sind vergleichbar:
Die SwissHDS-Strategie greift diese Ideen auf – teilweise explizit, teilweise implizit. Das schafft Raum für Technologien, die sich in Deutschland bereits in der Praxis bewähren.
Trotz der vielen Gemeinsamkeiten gibt es einige markante Unterschiede, die bei der Konzeption eines Health Messengers berücksichtigt werden müssen.
Ein zentraler Unterschied liegt im Steuerungsmodell: Während Deutschland mit der gematik über eine zentrale staatlich mandatierte Instanz verfügt, setzt die Schweiz auf föderale Koordination mit Beteiligung von Kantonen, Leistungserbringern und privaten Akteuren. Diese Struktur erlaubt zwar eine stärkere regionale Anpassung, führt aber auch zu einem höheren Abstimmungsbedarf und längeren Umsetzungszeiträumen.
Auch regulatorisch agiert Deutschland oft schneller und mit grösserer Verbindlichkeit – etwa durch gesetzlich verankerte Fristen, Förderprogramme und Pflichtanbindungen. In der Schweiz hingegen dominieren pilotbasierte, freiwillige Modelle, die sich erst in der zweiten Phase in die Fläche tragen lassen.
Finanzierungsmodelle unterscheiden sich ebenfalls: Während der TI-Messenger in Deutschland öffentlich finanziert und kontrolliert wird, muss ein Schweizer Health Messenger unter Umständen stärker durch Marktmechanismen und Partnerschaften getragen werden.
Für Anbieter wie Unomed bedeutet das: Flexibilität, Standardkonformität und Kooperationsfähigkeit sind entscheidend, um in beiden Systemen erfolgreich zu agieren.
Der deutsche TI-Messenger liefert wertvolle Impulse, von denen die Schweiz direkt profitieren kann – nicht durch Kopieren, sondern durch gezielte Übertragung von Prinzipien und Erfahrungen.
Ein zentrales Lernfeld ist die Wahl des Kommunikationsprotokolls. Die Entscheidung für Matrix hat sich als technologisch tragfähig und strategisch klug erwiesen: offene Schnittstellen, dezentrale Architektur und Kompatibilität mit verschiedenen Anbietern ermöglichen ein zukunftsfähiges Messaging-Ökosystem.
Auch der konsequente Fokus auf sektorübergreifende Use Cases ist vorbildlich. In den deutschen Pilotregionen wird Kommunikation nicht isoliert gedacht, sondern als verbindendes Element zwischen Arztpraxis, Pflege, Spital, Apotheke und künftig auch Patient:in. Diese Herangehensweise fördert konkrete Anwendungsnähe – ein Aspekt, der in Schweizer Projekten oft erst im zweiten Schritt priorisiert wird.
Nicht zuletzt zeigt das Beispiel Deutschland, wie wichtig eine klare regulatorische Trägerschaft ist. Die Rolle der gematik als zentraler Standardgeber, Prüfinstanz und Integrator hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich der TI-Messenger gegen Insellösungen behaupten konnte. Für die Schweiz könnte ein ähnlicher Koordinationsmechanismus – angepasst an föderale Strukturen – ein Erfolgsfaktor sein.
Trotz der Chancen ist der Weg zum standardisierten Health Messenger in der Schweiz kein einfacher. Die Herausforderungen liegen sowohl auf struktureller als auch auf technischer Ebene.
Erstens: die föderale Vielfalt. Unterschiedliche kantonale Regelwerke, technische Voraussetzungen und politische Geschwindigkeiten erschweren eine einheitliche Einführung. Was in einem Kanton funktioniert, ist anderswo womöglich rechtlich oder infrastrukturell nicht abbildbar.
Zweitens: die Standardisierung. Während internationale Interoperabilitätsstandards wie HL7 FHIR oder IHE zunehmend berücksichtigt werden, fehlt oft noch die verbindliche Definition für spezifische Kommunikationsdienste. Hier braucht es mehr Klarheit – insbesondere, wenn ein Messenger Teil eines grösseren Datenökosystems sein soll.
Drittens: die technische Nachhaltigkeit. Viele bestehende Systeme in Spitälern und Praxen sind weder modular noch integrationsfreundlich. Die Einführung eines Health Messengers muss daher auch mit Investitionen in Schnittstellen, APIs und Identitätsmanagement einhergehen – sonst bleibt die Lösung im Pilotstatus stecken.
Unomed versteht sich als aktiver Mitgestalter dieser Entwicklung. Wir setzen auf frühzeitige Kompatibilität mit den SwissHDS-Zielbildern, auf flexible Systemarchitektur und auf enge Kooperation mit den realen Nutzer:innen im Gesundheitswesen.
Unsere technische Roadmap sieht vor:
Darüber hinaus engagieren wir uns für partnerschaftliche Pilotprojekte mit Praxen, Spitälern, Behörden und Technologieanbietern. Unser Ziel ist nicht nur technologische Exzellenz, sondern echte Alltagstauglichkeit – vom Chat mit der Spitex bis zur sicheren Übergabe bei Spitalaustritt.
Die Diskussion um Gesundheitsdaten und digitale Kommunikation endet nicht an Landesgrenzen. Mit der geplanten Einführung des European Health Data Space (EHDS) nimmt die europäische Union Kurs auf einen gemeinsamen digitalen Gesundheitsraum, in dem Daten strukturiert, interoperabel und sicher grenzüberschreitend genutzt werden können.
Ein interoperabler Health Messenger – basierend auf offenen Standards wie Matrix – könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Denn der Bedarf an sicherer Kommunikation besteht nicht nur innerhalb nationaler Systeme, sondern auch im Austausch zwischen Ländern, etwa bei der Behandlung mobiler Patient:innen, bei klinischen Studien oder in der grenzüberschreitenden Notfallversorgung.
Für die Schweiz, die zwar nicht EU-Mitglied ist, aber regelmässig an regulatorische Entwicklungen anschliesst, ergibt sich hier die Chance, frühzeitig mit modularen Lösungen wie einem föderierten Messenger-Kommunikationsdienst Massstäbe zu setzen – national wie international.
Der Health Messenger ist mehr als nur ein Werkzeug – er ist ein zentraler Baustein für die digitale Transformation des Gesundheitswesens. Deutschland hat mit dem TI-Messenger auf Basis des Matrix-Protokolls einen wichtigen Schritt in Richtung Standardisierung, Interoperabilität und Sicherheit gemacht.
Die Schweiz hat im Rahmen der SwissHDS-Architekturstudie ein strategisches Zielbild skizziert, das ähnliche Werte verfolgt – jedoch noch nicht in konkrete Infrastrukturprojekte überführt wurde. Gerade deshalb lohnt sich der Blick auf bestehende Erfahrungen: um schneller, effektiver und nachhaltiger zu planen.
Unomed verfolgt dabei das Ziel, einen Health Messenger zu entwickeln, der technologisch anschlussfähig, nutzerorientiert und föderal integrierbar ist. Nicht als Einzellösung – sondern als Teil eines grösseren Ganzen. Denn die Zukunft gehört jenen, die zusammenarbeiten.
Ein Health Messenger ist eine spezialisierte Kommunikationslösung für das Gesundheitswesen, die hohen Datenschutzanforderungen entspricht und die sichere, nachvollziehbare Kommunikation zwischen Fachpersonen und Institutionen ermöglicht.
Matrix ist ein offenes Kommunikationsprotokoll für dezentrale Echtzeitkommunikation. Es bietet Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Softwarelösungen und bildet die technische Grundlage für den deutschen TI-Messenger.
Der TI-Messenger ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Telematikinfrastruktur. Er ermöglicht sektorübergreifende, verschlüsselte Kommunikation zwischen medizinischen Akteuren – auf Basis offener Standards.
Unomed entwickelt den Health Messenger so, dass er sich an den Prinzipien und Zielbildern der SwissHDS-Serviceinfrastruktur orientiert. Ziel ist eine hohe Anschlussfähigkeit an nationale und internationale Standards.
Ein interoperabler Messenger reduziert Medienbrüche, beschleunigt Abstimmungen zwischen Akteuren und ermöglicht eine sichere, dokumentierte Kommunikation – alles entscheidend für effiziente und koordinierte Versorgung.